Gott und die Welt

Wie viele andere Menschen bin auch ich davon überzeugt, dass es keinen Gott, keine immaterielle Gestalt gibt, die uns erschaffen hat oder uns leitet, für uns entscheidet und uns jetzt oder in einem ebenso von Menschen erfundenes Jenseits vergibt, belohnt oder bestraft.
Ich bin davon überzeugt, dass der Mensch, seit er sich selbst bewusst wurde, immer wieder mit denselben Fragen und Problemen beschäftigt hat. Er will immer wissen, wo seine Ursprünge sind und wie er und die Welt um ihn entstanden sind. Er will wissen, wo ihn der Weg weist und wie seine Zukunft aussieht.

Dafür ließ er Götter entstehen. Diese Götter gingen immer wieder unter und neue, zeit- und ortsgemäßere Götter entstanden.
Mit jedem neuen Wissen, musste er seine Götter erneut in Frage stellen, denn sie konnten ihm keine neuen Antworten liefern, daher musste er sich seine Götter -und im Grunde sich selbst- immer wieder von neuem definieren. 
Definieren heißt erklären und erklären heißt all seinem Bestreben, Glück und Leid einen Sinn einzuhauchen und ein Ziel zu setzen.
Auch die heutigen Götter werden vergehen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist, genauso wie beispielsweise “Mithras”, der antike römische Gott, der in der längsten Nacht des Jahres (am 21.12. also) von einer Jungfrau in einer Höhle (sic!) geboren wurde. Er wurde von einer neuen Religion übernommen und den neuen Bedürfnissen angepasst, aber auch dieser Gott wird untergehen und andere, zeitgemäßere Götter werden erdacht werden, weil sie unser eigenes Spiegelbild darstellen!
Diese Götter handeln dabei, wie der Mensch selbst, hätte er absolute Macht, andere Menschen regieren würde.
Jahrhunderte nach dem uns die Wissenschaft den wahren Weg zu zeigen angefangen hat, haben sich natürlich auch unsere Religionen geändert. 
Heute, da die Wissenschaft den Einfluss “klassischer” Religionen immer weiter zurückdrängt, fängt der Mensch nicht etwa an, sich von seinem Aberglauben zu lösen, sondern er wendet sich an “neue” Religionen, die sich nun einen wissenschaftlichen Anstrich gegeben haben, um den Eindruck einer modernen, wissenschaftlich belegten Religion zu erwecken; das verlangt der Zeitgeist.
Andere Ersatzreligionen versuchen aber auch schon seit Jahrhunderten die Menschen mit Planetenbewegungen, Sterndeutungen, mit außerirdischen Wesen und “Engelsessenzen” zu beeindrucken.

Der Mensch in seiner Bedeutungslosigkeit wird dabei immer von höheren und mächtigen Wesen beschützt und bestraft, die er selbst erfunden hat.
Und Niemand weiß so genau, weshalb die Wesen, die angeblich alles, was ist, erschaffen haben, und jedenfalls weit höher stehen als wir, sich für einen unbedeutenden Planeten und für seine noch unwichtigeren Lebewesen interessieren sollten!

Zugegeben: Viele Menschen finden den Gedanken an die versprochenen Wohltaten im Jenseits sehr tröstlich, auch wenn diese dann menschenverachtende Ausmaße annehmen können, wie die 72 Jungfrauen, die dem Märtyrer im Islam versprochen sind – ich frage mich ja immer, was eigentlich mit den Märtyrerinnen geschieht und was sie wohl als Belohnung zu erwarten haben!

Aber Polemik beiseite: Viele Menschen brauchen einen Halt, einen Fixpunkt in ihrem Leben und das ist eben für viele ihr Glaube.
Wird dieser Glaube aber zur Obsession, will sie missionieren und bekehren, wirft sie anderen vor, „ungläubig und unrein“ zu sein, dann ist sie zur Gefahr für die Menschen und für die Menschlichkeit geworden.
Dabei ist es unerheblich, ob die jeweilige Religion an einen Gott glaubt oder den Gottglauben vielleicht noch als Aberglaube ablehnt, sich stattdessen aber andere Götter schafft, nämlich Menschen (oft genug mächtige, blutrünstige Diktatoren), die zu Helden der Menschheit hochstilisiert, deren Handeln und Denkweisen über alle Anderen gestellt und ihre negativen, weil menschlichen Seiten ausgeblendet werden.
Und viele Menschen, die klassischen Göttern nicht mehr vertrauen, aber immer noch klare Regeln (manchmal sogar Anweisungen) für ihr Leben brauchen, auch wenn sie dann doch die hehren moralischen Werte beim ersten Anzeichen eines persönlichen Nachteils über Bord werfen (im Übrigen genauso wie ihre menschlichen Ersatzgöttern), wenden sich an diese neuen, zeitgeistgerechten Erlösern.

Es ist, als ob der Mensch es niemals lernen könnte, selbst Verantwortung für die Menschheit zu übernehmen: immer gibt es eine Instanz, die unfehlbar das eigene Schicksal lenkt und die Schwächen und die Fehler der Menschen letztlich großmutig zu vergeben hat, denn „Sünden“ (egal, ob im religiösen oder nichtreligiösen Sinne) begehen immer nur die Anderen!

Doch es sind nur die irdischen Vertreter dieser Religionen, die es nicht lernen und nicht verstehen können, dass sie die Natur des Menschen, die sich in Millionen von Jahren geformt hat, nicht mit ihren realitätsfernen Moralpredigten ändern können.
Deshalb ist die “Sünde” auch in ihren eigenen Reihen sehr gehäuft zu finden. Doch die wahre Sünde ist, dass sie auf diesem Auge blind sind: die eigenen Sünden sieht der Mensch nicht.
Und auch das gehört zum Menschsein: zu lernen, frei leben zu können, ohne andere, ebenso wertvolle Menschen nicht durch eigene Triebhaftigkeit und egoistisches Handeln zu (zer)stören.
Das gebietet nicht die “Moral”, die vielleicht noch durch ein höheres (religiöses) Ziel, Gebot oder Verbot, ihre Umkehrung oder Aufhebung finden könnte, sondern einzig und allein die menschliche Ethik, die uns jedes Lebewesen zu achten und zu schützen weist.

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