Blauäugig

Ich finde es erstaunlich und ärgerlich, meistens aber frustrierend und enttäuschend, dass aufgeklärte Menschen in Europa sich für (oft nahöstliche) Diktaturen erwärmen können und jedes noch so menschenverachtende Regime, die schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die fortschritts- und bildungsfeindlichsten Maßnahmen zu erklären versuchen.

Ich vermute oft dahinter eine Sichtverzerrung dieser Menschen, die enttäuscht oder reserviert, ja manchmal ablehnend gegenüber allem stehen, das in den Medien ihrer Länder verbreitet wird und versuche immer wieder, ihnen klar zu machen, dass es in einem Land wie dem Iran tatsächlich Menschen jeden Tag zu Dutzenden abgeschlachtet werden, Frauen erniedrigt, Menschen unter fadenscheinigen, längst überwunden geglaubten, religiösen Gründen gefoltert, inhaftiert, gesteinigt und hingerichtet werden.

Und bin jedes Mal betroffen, wenn ein Mensch, ein gebildeter Europäer des 21. Jahrhunderts so verblendet ist, zu „antworten“, dass es ja auch in den Vereinigten Staaten Hinrichtungen gibt!

Merken diese Menschen nicht, dass ihr blinder Antiamerikanismus, sie jedes Verbrechen in der vermeintlichen Gegenwelt, vergessen, erklären, ja gutheißen lässt?

Die tausenden Menschen, die aus politischen Gründen in iranischen Gefängnissen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt sind, jene Menschen, die gefoltert, deren Angehörige, die unter Druck gesetzt und erniedrigt werden, werden mit Guantanamo verglichen und der tiefsitzender Hass dieser Menschen ist befriedigt.

Um sich den Anstrich eines liberalen, freidenkenden Menschen zu geben, hört man diese Menschen oft sagen, dass “der Westen” sich in die innere Angelegenheiten des Irans einmische! Wie viele Menschen im Iran wären froh, wenn sich die internationale Gemeinschaft stärker um die jeden Tag im Iran mit Füßen getretenen Menschenrechte kümmern und sich in Angelegenheiten einmischen würde, die diese Möchtegern-Freidenker keine Sekunde in ihrem eigenen Land ertragen möchten.

Ich bin nun wirklich zu dem Schluss gekommen, dass eine Diskussion mit solchen Menschen zu nichts führt und daher überflüssig ist, denn diesen Menschen geht es, entgegen ihren Behauptungen, NICHT um das Leid der Menschen (egal ob im Iran oder in den USA), sondern einzig und allein um ihre eigene Befindlichkeit, um ihre eigene, kleine Welt, in der sie schnell verdaulich ihre Feindbilder brauchen, die sie leicht wieder erkennen können und die für alles „Böse“ verantwortlich zu machen sind.

Erstaunlicherweise ist das die stärkste Gemeinsamkeit, die sie mit ihrem „Gegenlager“ haben, für die alles „Böse“ aus dem „Osten“ kommt und den Untergang ihrer vermeintlichen, westlichen Werte darstellt.

Deshalb antworten sie immer mit den selben Argumenten, deshalb antworten sie mit ihrem ungerichteten Hass, und deshalb ist ihnen das Leid der Menschen, da wie dort, völlig egal, weil sie in einer Welt leben, die aus ihren eigenen Ängsten gezimmert ist, ein Zerrbild und gleichzeitig ein Spiegelbild ihres innersten Selbst.

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